Patenbrief

Warum brauchen Kinder religiöse Erziehung? - Friedrich Schweitzer

Für mache ist es keine Frage, sondern einfach selbstverständlich: Kinder sollen religiös erzogen werden, weil der Glaube wichtig ist. Viele Eltern sind sich aber unsicher, ob das noch gilt, und manche Großeltern sehen mit Sorge, dass ihre Enkel immer weniger vom Glauben erfahren. Deshalb ist die Frage offen anzusprechen: Brauchen Kinder religiöse Erziehung?  Und weil es dabei nicht nur um theoretische Probleme geht, muss weiter gefragt werden: Wie kann eine zeitgemäße und kindgerechte religiöse Erziehung aussehen?

 

Viele Gründe sprechen für religiöse Erziehung - Gründe, die mit dem christlichen Glauben zu tun haben oder mit Kirche und Gesellschaft. Heutige Eltern wollen aber wissen, ob und warum religiöse Erziehung für das Kind selber wichtig ist. Davon soll jetzt die Rede sein.

 

Eine Situation, wie sie uns häufig begegnet: Auf dem Weg nach Hause findet das Kind einen toten Vogel. Es fragt die Mutter: Was wird aus dem Vögelchen? Kommt es jetzt in den Himmel? Oder das Kind erfährt, dass jemand gestorben ist, und möchte wissen: Wie ist das, wenn man tot ist? Muss man immer im Grab bleiben? Und wenn schon so viele in den Himmel gekommen sind – ist da eigentlich noch Platz?

 

Der Frage nach Sterben und Tod - und was danach kommt, begegnen alle Kinder, früher oder später. Und dann wollen sie Antworten. Sie wollen die Welt verstehen, und sie suchen nach Geborgenheit, sie brauchen Vergewisserung und Trost. Warum muss man eigentlich sterben? Bloße Erklärungen („Das ist halt so!“) reichen nicht aus. Für Kinder steckt in der Frage nach dem Tod oft schon die Frage nach Gott.

 

Warum religiöse Erziehung? Die einfachste und überzeugendste Antwort heißt: Weil wir das Kind bei seinen großen Fragen nicht allein lassen dürfen - selbst dann nicht, wenn wir selber keine fertigen Antworten mehr haben, weil unser Kinderglaube abhanden gekommen ist. Es geht ja nicht nur um Tod und Sterben. Andere Fragen des Kindes verlangen nicht weniger nach einer Antwort aus dem Glauben: Wer bin ich und wer darf ich sein? Oder: Warum soll in einer Welt, in der es so ungerecht zugeht, gerade ich gerecht sein? Oder: Warum glauben manche Kinder an Allah, warum glauben andere Kinder gar nicht an Gott? Solche Fragen brechen im Leben fast aller Kinder auf, und wir werden ihnen nur gerecht, wenn wir sie wirklich ernst nehmen. Wer sich darauf einlässt, ist eigentlich schon mittendrin in der religiösen Erziehung. Denn religiös erzogen wird eben nicht erst dann, wenn wir den Kindern eine biblische Geschichte vorlesen oder mit ihnen beten. All das bleibt wichtig - und davon wird noch mehr zu sagen sein. Aber eine zeitgemäße und kindgerechte religiöse Erziehung fängt beim alltäglichen Leben an. Religiöse Erziehung ist kein aufgesetzter Sonderbereich, aus dem wir uns einfach heraushalten könnten. Im Grunde sind alle Eltern immer auch als religiöse Erzieher tätig, ob sie wollen oder nicht. Denn auch wenn wir den Kindern keine Antworten bieten und keine Bibelgeschichten vorlesen - wenn wir ihre Fragen lieber mit Schweigen übergehen („jetzt nicht!“), auch dann teilen wir ihnen etwas mit: Diese Fragen sind nicht so wichtig. Und damit erziehen wir sie zur Oberflächlichkeit.

 

Aus der Psychologie ist zu lernen, wie wichtig die Erfahrungen schon der frühesten Kinder sind, und dazu zählen auch Erfahrungen, die als religiös bezeichnet werden können - Erfahrungen des Vertrauens und der Hoffnung, aber auch von Ängsten und von Verlassensein. All diese hinterlässt Spuren im Kind - Wünsche und Sehnsüchte, die weit über die alltägliche Wirklichkeit hinausgehen. Die Suche nach jemand oder nach etwas, dem das Kind unbedingt vertrauen kann, und die Sehnsucht nach einer Hoffnung, die nicht enttäuscht, sind wichtige Beispiele dafür. Was die religiöse Erziehung hier anbieten kann, ist eine Sprache für solche Empfindungen. Und das muss natürlich eine Sprache sein, die dafür geeignet ist - eine Sprache der Hoffnung, etwa die Sprache der Bibel. Wer Kindern biblische Geschichten vorliest, schenkt ihnen zugleich eine neue Sprache. Und dies hilft den Kindern bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung.

 

Religiöse Erziehung unterstützt die Selbstwerdung des Kindes. Sie stärkt die Fantasie und gibt Orientierung im Leben. Deshalb gibt es viele gute Gründe für religiöse Erziehung: Verständnis für unsere christlich geprägte Kultur und Geschichte, Verständnis des christlichen Glaubens und seiner Überlieferung, Vermenschlichung der Gesellschaft. Alle diese Gründe aber überzeugen nur dann, wenn religiöse Erziehung zuerst und vor allem eines ist: ein Recht des Kindes!

 

 

 

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